Herbstentscheidung

 

Können wir, so wie wir sind, bleiben

wenn die Herbstblätter im Wind tänzeln

und tornadoförmig zu Boden gleiten?

Können wir vergessen was passiert ist,

wenn doch alles nach Abschied riecht

und unsere Nasen kitzeln, sich rümpfen und trostlos niesen?

 

Wir stehen inmitten dieser unsäglichen Unentschlossenheit

weil wir nicht wissen, ob geradeaus immer das Richtige ist.

Wir könnten doch Umwege nehmen, uns auf die Parkbank dort setzen,

um die Blätter besser observieren zu können.

Wir könnten uns aber auch umarmen, mit diesem Wärmeaustausch,

der unter das Hemd fährt und zwischen Haut und Stoff so viele Nachrichten, alte Geschichten  und Liebeserklärungen hinterlässt.

Wir könnten uns von dieser Umarmung lösen, um zu spüren, wie es weiter gehen wird,

wie es sich anfühlen wird, wenn wir uns aus der Unentschlossenheit lösen und uns wie Laufen lernende Kinder versuchen Rücken gegen Rücken zu entfernen.

 

Es ist die viele Zeit, die uns bindet und uns Anekdoten erzählt, bei denen wir ein seichtes Grinsen über unser Gesicht huschen sehen.

Dabei können wir uns die Hände halten und fest zudrücken,

damit der Andere versteht „das war eine gute Zeit“.

Wir könnten die Zeit festhalten, sie einrahmen und übers Bett hängen, damit wir an jedem verschlafenen Morgen wissen, warum wir noch nebeneinander liegen.

Ein Vergiss-es-nicht-Plätzchen,

dort über dem Bett, im Kontrast zu der gelb gestrichenen Wand.

Wir könnten durchhalten, unser beider Willen,

weil Einsamkeit brutal in die Brust schneidet,

die Gliedmaßen lähmt und den Lebensatem verkürzt.

Wir könnten uns aber auch eingestehen,

dass Bilderrahmen einstauben und Farben verblassen,

dass Unentschlossene zum Stillstand neigen und den Sinn der Tornado-Blätter nicht verstehen,

dass Einsamkeit auch irgendwann in dieser nebeneinander-lieg-Situation zu finden ist

und dass der Händedruck an Kraft verliert.

 

Ich wollte die Blätter aufsammeln, um sie dir zu überreichen, wie ein Erinnerungsgeschenk, damit du mich nicht vergisst, so dachte ich.

Aber als ich deine Augen sah, wusste ich bereits, dass geschehen war, was wir im Stillstand versuchten zu verhindern.

Du hast dich nicht in die Blätter verliebt, sondern in den Tornado, weil er den Hauch von Abschied und Neubeginn verbindet, weil er dabei ist zu zeigen, dass wir uns längst entschieden haben – gegen den Stillstand.

Wir wussten, dass der Wind bereits anders riecht und dass wir während wir ihn ein – und ausatmeten der Unterschied längst feststellbar war.

Wir hatten uns entschieden, nur nicht den Mut gefunden uns von der Illusion und Sehnsucht nach ewiglicher Beziehung zu verabschieden.

Und nun entfernten wir uns mit allen Anekdoten und Liebeserklärungen Rücken gegen Rücken, bis du dich kurz umblicktest und mir ein kleines „Danke“ an die Wirbelsäule haftetest, das ich noch heute spüren kann.

 

 

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